Feindbilder III ('Imperialismus', Kalter Krieg)

Bereits wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs brach die alte ideologische Polarisierung wieder auf, die für die Zeit des "Kalten Kriegs" und bis in die 1980er Jahre die Welt in zwei, einander feindlich gesonnene Lager teilen sollte. Hiermit lebten auch die alten Feindbilder auf, die nie aus dem Bildgedächtnis verschwunden waren. Jetzt war der Gegner vor allem Amerika, die NATO und Westeuropa, denen "imperialistische Expansionspolitik" unterstellt wurde. Und wieder war es, wie schon in den 1930er und 1940er Jahren, vor allem das Medium Karikatur und Satire, aus dem man das Feindbild 'Amerika' generierte. Viele Merkmale, die vormals dem Nationalsozialismus zugeschrieben wurden (Agressivität, Doppelzüngigkeit und Unberechenbarkeit), wurden nun auf die neuen/alten Gegner übertragen.
Antithetisches Denken, ein Produkt der Revolutionszeit, bestimmte dabei den ideologischen Duktus und die formale Gestaltung vieler Plakate. Durch radikale Schwarz-Weiß-Malerei wurde ein ausschließlich negatives Bild des Gegners und seiner Gesellschaft entworfen, dem ein ebenso radikal positives Bild des Eigenen gegenüberstand. Raum für Zwischentöne existierte nicht. Die Fülle solcher Plakate zeigt, daß diese Form, sich über das Feindbild selbst zu definieren, durchaus langjährige agitatorische Praxis war, wie z. B. in dem Plakat von V. Koreckij "Kein Platz für Arbeitslosigkeit". Eine zweite Gruppe von Plakaten zeigte den politischen Gegner und die eigene Position in direkter, durch Stellvertreter der beiden Lager geführter Konfrontation, wie z.B. auf dem Plakat von Koreckij "Wir fordern Frieden". Hier gebot ein respekteinflößender Repräsentant des 'sozialistischen Lagers' den gegnerischen Plänen Einhalt.
Auf anderen Plakaten dieses Typs konnten die Figuren auch variieren; in der Regel waren es jedoch keine sowjetischen Militärs, denen diese Aufgabe zuteil wurde, sondern Arbeiter, Frauen und Kinder. Auf diese Weise wurde hervorgehoben, daß der 'antiimperialistische Protest' keinem machtpolitischen Kalkül der Sowjetregierung entsprang, sondern "vom Volk getragen" wurde. Damit ergab sich die Opposition "Amerikanisches Militär" vs. "Sowjetisches Volk", was die soziale, politische umd moralische Legitimation der eigenen Forderungen zementieren sollte.
'Doppelzüngigkeit' war das Thema des Plakates von V. Govorkov "Phrasen und Basen", mit dem die amerikanische Präsenz in Europa kritisiert wurde. Selten wurde der amerikanische Gegner, hier in Person seiner Generäle, in so abstoßender Art und Weise dargestellt; besonders auf den Plakaten der Kukriniksy und von B. Efimov gerieten die Gegner zu geifernden, agressiven Spottfiguren, die es durch "sowjetische Friedensliebe" in Schach zu halten galt. Bis Anfang der 80er Jahre waren diese Feindbilder auf Plakaten und in satirischen Zeitschriften wie "Krokodil" weit verbreitet. Selbstverständlich nutzten sich diese in dem langen Zeitraum seit Ende der 1940er Jahre stark ab. Diese Art der Darstellung verlor deutlich an Aussagekraft und hatte in gewisser Weise sogar eine entgegengesetzte Wirkung.
Erst mit der Perestrojka (ab 1986/87) sollten diese außenpolitisch motivierten Feindbilder verschwinden. Innenpolitisch blieben die sozialen 'Feinde' im eigenen Land im großen und ganzen die gleichen, die bereits in den 1930er Jahren Ziel der Propaganda waren (Faulenzer, Bürokraten, Trinker/Müßiggänger, Diebe des Staatseigentums etc.). Ihre Bilder blieben auch in der neueren Zeit weitgehend unverändert. Neue Feindbilder enstanden in der Perestrojka: jetzt war es vor allem die eigene politische Elite der 1920er/30er Jahre, die nun im Zuge einer Geschichtsrevision dämonisiert wurde.