1935. Plakatdruck und Technologie im Überblick

Die Anfertigung eines Plakats ist ein relativ langer Prozeß. Der Künstler entwirft zunächst eine Originalzeichnung, die jedoch erst nach der Drucklegung und der Umsetzung in eine polygraphische Form zu einem Plakat im eigentlichen Sinne wird.
Die Technik der Lithographie, die Alois Senefelder Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt hatte, war die wichigste technische Voraussetzung für die Entstehung des sogenannten künstlerischen Anschlags (affiche). In der Lithographie (Steindruck), dem ältesten Flachdruckverfahren, wird die Darstellung (Originalzeichnung) mittels Fettkreide oder -tusche auf die Oberfläche eines polierten Kalksteins übertragen. Der Stein wird anschließend mit Säure behandelt, wobei die fetthaltige Schicht, die auf die Oberfläche des Steins aufgetragen wurde, die Fähigkeit zur Aufnahme der Farbe bewahrt. An den anderen freien Flächen wird die Farbe abgestoßen. Anschließend überträgt man die Farbe auf den Stein und von diesem aus auf den Papierbogen. Dieser relativ unkomplizierte und preiswerte Prozeß machte die Lithographie für 150 Jahre zur führenden Technik bei der Vervielfältigung farbiger Darstellungen.
Die Erfindung A. Senefelders wurde im 19. Jahrhundert ständig weiterentwickelt. 1833 erzielte der russische Erfinder K. Tromonin mehrfarbige Darstellungen (Farblithographie), in dem für jede Farbe ein neuer Stein bearbeitet wurde, von denen dann nacheinander die Darstellungen auf das Papier übertragen wurden. Durch die Überlagerung verschiedener Farben konnten weitere Farbtöne erzeugt werden, Abstufungen erreichte man durch den Einsatz von Rastern oder durch eine spezielle Spritztechnik. Diese Prozedur hat sich, trotz technologischer Verbesserungen, bis heute in der Farblithographie erhalten.
Mit der Entwicklung des Öldrucks zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang es, die Lebensdauer der Reklameplakate zu verlängern und deren dekorativen Effekt zu steigern. Beim Öldruck wird ein lithographischer Druck verwendet, der mit einer speziellen Ölfirnis bedeckt wird. Diese Flüssigkeit schützt den Papierbogen vor äußeren Einflüssen und erzeugt den Eindruck einer lackierten Oberfläche.
1852 experimentierte der Franzose A. Lemercier anstelle von Zeichnungen mit lichtempfindlichem Material und erhielt als Abzug eine photographische Darstellung. Dies war die Entdeckung der Photolithographie, deren Breitenanwendung allerdings erst in den 20er und 30er Jahren (Photomontage) erfolgen sollte. Ein weiteres Verfahren bot der sogenannte Tiefdruck. Der Tiefdruck erlaubte die Wiedergabe feiner Nuancen von Licht und Schatten, da einzelne Bereiche der metallischen Druckformen verschiedene Tiefen in der Druckplatte aufwiesen und infolgedessen verschiedene Farbqualitäten erzeugen konnten.
Die Farblithographie legte auch die Grundlage für den Offset-Druck, der die Farblithographie in der Mitte des 20. Jahrhunderts ablöste. Bei dieser Art des Flachdrucks wurde der Lithographiestein selbst durch eine zylindrische Druckform aus Zink oder Aluminium ersetzt. Von dieser Druckform übertrug man die Darstellung auf einen mit Gummituch bespannten Zylinder und von diesem wiederum auf das Papier. Die photomechanische Bearbeitung erlaubte eine genauere Wiedergabe der Farbtonabstufungen und eine originalgetreuere Reproduktion der farbigen Originale, die auf unterschiedlichste Weise gestaltet sein konnten. Mit der Offset-Technik lassen sich bis heute große Druckauflagen produzieren, die mit der traditionellen Lithographie nicht zu erreichen sind. Diese druckgraphischen Verfahren werden seit Mitte der 90er Jahre zunehmend durch die Computergraphik ersetzt.
Neben diesen grundlegenden Arten des Plakatdrucks kamen in den 20er und 40er Jahren in der Sowjetunion auch weniger verbreitete Verfahren zum Einsatz. Während des russischen Bürgerkriegs wurden etwa die Originale von "ROSTA-Fenstern" in Moskau, Petrograd und Kostroma als Linolschnitte oder Handzeichnungen angefertigt. Ihre Verfielfältigung erfolgte allerdings durch einzelne Farbschablonen (Trafaret, ital. traforetto). Diese Schablonen bestanden aus Karton oder festem Papier, bei denen die späteren Druckflächen in der Schablone ausgespart wurden. Für jede einzelne Farbe wurde eine eigene Schablone per Hand angefertigt. Durch diese Schablonen wurde die Farbe direkt auf das Papier übertragen. Ein besonderer Vorteil dieser arbeitsaufwändigen Technik bestand darin, daß man das übliche lithographische Verfahren zeitlich entscheidend abkürzen konnte, Plakate daher oft über Nacht entstanden, was gerade während des Bürgerkriegs, als Agitation und Propaganda unter hohem zeitlichen Druck standen, eine wichtige Rolle spielte.
Im Schablonendruck produzierte man auch die sogenannten "TASS-Fenster" im Zweiten Weltkrieg. Die periodisch erscheinenden Plakate aus der 1956 in Moskau gegründeten Werkstatt "Agitplakat" druckte man bereits im Siebdruckverfahren. Der Siebdruck ist eine eigenständige Form des Schablonendrucks, wobei die Rolle der Druckform ein Seidensieb übernahm, das an den bildfreien Stellen mit Schablonen abgedeckt wurde. Später wurden diejenigen Flächen des Siebs, an denen die Farbe nicht übertragen werden sollte, speziell behandelt, um sie damit farbundurchlässig zu machen. Diese Drucktechnik wurde auch im Autorenplakat Ende des 20. Jahrhunderts zum vorherrschenden Verfahren.
Die Spezifik eines Produktionsprozesses wirkte sich stark auf den künstlerischen Charakter der Plakate aus. Die Farblithographie verlieh ihnen die Reinheit von Lokalfarben und exakte Farbverbindungen; die Photolithographie gestattete eine Verbindung von Farbflächen und tonierten Darstellungen. Der Linolschnitt wiederum bedingte ausdrucksstarke Strichhaftigkeit, im Schablonendruck wurden Formen stark vereinfacht und damit auf das Wesentliche reduziert. Die Drucktechnik war daher nie nur ein technischer, sondern vor allem auch künstlerischer Prozeß, der auf den ästhetischen Charakter der Plakate starke Auswirkungen hatte.