1919. Zwangsrequisitionen und "Kriegskommunismus"

In Sowjetrußland, das laut seiner ersten Verfassung (Sommer 1918) die offizielle Bezeichnung "Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik" trug, herrschte eine gesetzlich festgeschriebene Arbeitspflicht; Fabriken, Industrie- und Wirtschaftsunternehmen sowie die Banken waren sozialisiert.
Die Volkswirtschaft war durch die Zerstörungen im Ersten Weltkrieg und Bürgerkrieg jedoch dermaßen zerrüttet, daß das Volkskommissariat für Ernährung eine Versorgungsdiktatur einrichtete, die ein staatliches Getreidemonopol erließ und die Bauern durch die Zwangsablieferung hoher Getreidemengen zu strenger Rationierung ihres Eigenbedarfes zwang.
Vielfach kam es zu militärisch durchgeführten Requisitionen von Getreide und sonstigen Gütern, deren Abgabe die Bauern, deren Erträge kaum noch zur Aufrechterhaltung ihrer eigenen Existenz ausreichten, oft verweigerten. Drakonische Strafmaßnahmen gegen die Bauernschaft, Verhaftungen und Erschießungen waren an der Tagesordnung.
Lenin und seine Partei versuchten hiermit nicht nur, die Versorgung der Städte und der Roten Armee sicherzustellen. Es ging der politischen Führung auch um einen Kampf gegen das unabhängige Bauerntum, das sich politisch, wenn überhaupt einer Überzeugung folgend, mit den agrarsozialistischen Ideen der Sozialrevolutionäre identifizierte und der bolschewistischen Diktatur außerordentlich skeptisch bis ablehnend gegenüber stand.
Die Stadtbevölkerung war nahezu in gleichem Ausmaß von der Versorgungsdiktatur betroffen, zumal zahlreiche Industrieanlagen der Zerstörung und Demontage anheimgefallen waren. Das Geld wurde zunächst abgeschafft und durch einen anachronistischen Tauschhandel ersetzt. Des weiteren wurde die Bevölkerung zeitweise zur unentgeltlichen Arbeit an Samstagen, den sogenannten 'Subbotniki', herangezogen. Diese historische Phase (1918 - 1921) fand unter der Bezeichnung „Kriegskommunismus“ Eingang in die Geschichte.